Studie: Deutschlands Dächer haben viel Energiepotenzial

Das solare Potenzial einer ganzen Stadt
Mit Sonderprojekten ermitteln einige deutsche Städte die jährliche Sonneneinstrahlung auf den Dächern sämtlicher Gebäude. In Osnabrück, Braunschweig und anderen Gemeinden kann jeder Bürger erfahren, ob sich für ihn ganz persönlich eine Fotovoltaikanlage lohnt. Nach Berechnungen von Experten liegt auf deutschen Dächern ein riesiges solarwirtschaftliches Potenzial brach. Würden auf den geeigneten Dachflächen der Bundesrepublik überall Fotovoltaikanlagen installiert, ließe sich damit die Leistung von zwölf Atomkraftwerken ersetzen. Sämtliche Privathaushalte könnten damit versorgt werden. Das Problem ist, dass weniger als ein Prozent dieses Potenzials bisher genutzt wird. Ein Grund dafür: Viele Hausbesitzer haben sich mit der Möglichkeit, auf ihrem Dach Fotovoltaik-Solarmodule zu installieren, bisher wenig bis gar nicht auseinandergesetzt. Das könnte sich ändern, sollte sich die Solarpotenzialanalyse durchsetzen. Auf der Basis von hochauflösbaren Laserscannerdaten, die per Flugzeug erstellt werden, berechnen Geowissenschaftler die für die Stromproduktion geeigneten Dachflächen – das solare Potenzial einer Stadt. Einige Städte nutzen dies bereits und stellen die Daten mit Kampagnen begleitet bürgerfreundlich ins Netz. Manche Unternehmen misstrauen diesem Pfade und gehen andere Wege. “In Deutschland sind circa 20 Prozent der vorhandenen Dachflächen für die solare Energienutzung geeignet”, sagt Dorothea Ludwig, Diplomingenieurin. “Das könnte deutschlandweit nahezu den gesamten privaten Strombedarf decken. Allerdings entspräche dies mehr als dem 100-Fachen der bisherigen Nutzung.” Ludwig hatte vor zwei Jahren in einem Forscherteam unter der Leitung von Martina Klärle, Professorin an der Fachhochschule Frankfurt, das Projekt SUN-AREA durchgeführt. In enger Zusammenarbeit mit der Stadt Osnabrück wurde eine interaktive Stadtkarte für das Internet entwickelt. Seit November 2007 kann jeder Osnabrücker Hausbesitzer erfahren, ob sein Dach für solare Stromerzeugung geeignet ist, wie viel Quadratmeter Modulfläche installiert werden könnten und mit welchem maximalen Stromertrag pro Jahr er bei Ausnutzung dieser Fläche rechnen kann. Wie funktioniert so etwas? Pionierin Klärle arbeitete bereits seit Jahren an der Entwicklung einer Kartierung des Solarpotenzials. Aus mathematischen Algorithmen entwickelten die Geowissenschaftlerinnen Software zur vollautomatischen Ermittlung und Darstellung des Solarenergiepotenzials für jedes Einzeldach. “Voraussetzung dafür waren die Flugscannerdaten”, sagt Klärle. Mit Spezialflugzeugen, an deren Rumpf ein Sensor angebracht war, wurde das gesamte Stadtgebiet hochauflösend gescannt. So konnten geografische Daten für dreidimensionale Geländemodelle ermittelt werden. Die Stadt Osnabrück hat rund 70 000 Dächer. Mit der Geosoftware wurde jedes einzelne Dach nach Ausrichtung und Neigung erfasst. Zudem simulierte man die jahreszeitlich bedingte Verschattung bei unterschiedlichem Sonnenstand durch umstehende Gebäude und Bäume. “SUN-AREA brachte den Nachweis”, sagt Ludwig. “Würde Osnabrück alle geeigneten Dächer mit Solarmodulen auslegen, wäre schon mit den heutigen Wirkungsgraden der Fotovoltaik der private Stromverbrauch gedeckt.” Was für Osnabrück gelte, sei auf viele Städte und Kommunen, möglicherweise auf ganz Deutschland übertragbar. An der Fachhochschule Osnabrück hat man Braunschweig und Gelsenkirchen ans Netz gebracht. Weitere 85 Berechnungen in Baden-Württemberg, Hessen, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen laufen. Geo-Diplomingenieur Thomas Beck hatte 2006 die gleiche Idee. Mit zwei Studienkollegen der Hochschule Karlsruhe startete er die Firma Smart Geomatics. Unterstützt wurde das Projekt von der Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg. Gemeinsam überzeugten sie den Regionalverband im sonnenreichen Nordschwarzwald von der Tauglichkeit der Solarpotenzialanalyse. Insgesamt beteiligten sich 71 Städte und Gemeinden mit rund 600 000 Einwohnern. 250 000 Dächer wurden vermessen und auf ihre Tauglichkeit untersucht. “Seit Mai 2008 können sich die Bürger im Internet informieren”, sagt Beck. Für Interessierte bietet das Energie- und Bauberatungszentrum Pforzheim Beratungen an. Das Problem sei, dass den Kommunen meist die finanziellen und personellen Ressourcen fehlten, um die Projekte nachhaltig umzusetzen. Dafür brauche es Kooperationen mit Banken und der Solarbranche. In Pforzheim gewann man die örtliche Kreissparkasse und die Volksbank. In Freiburg, wo das Projekt unter dem Namen Freesun läuft, hat der regionale Energieversorger Badenova finanzielle Mittel aus seinem Innovationsfonds bereitgestellt. Trotzdem benötigen die ins Netz gestellten Infos, um beachtet zu werden, eine gut geplante Öffentlichkeitsarbeit. Die Stadt Freiburg organisiert und veranstaltet in einzelnen Statteilen Informationstage für ihre Bürger. Einen anderen Weg geht die Firma Wirsol Solar. Gemeinsam mit der Technischen Universität Karlsruhe hat man die Software Asis (Aerial Solar Identification System) entwickelt. Asis hilft Besitzern von Dachflächen bei der Entscheidung, ob eine Investition in Fotovoltaik den gewünschten Erfolg bringt. Die Software macht genau das Gleiche wie das in Osnabrück verwendete Produkt. Stefan Riel, Vorstand der Firma Wirsol Solar, hält für die Verbreitung den Weg über die Kommune wie in Osnabrück oder Freiburg für nicht wirklich überzeugend: “Wir glauben, dass Solarfirmen die besseren Marketinginstrumente haben als städtische Behörden.” Asis biete die Chance, die Solarpotenzialanalyse so weit zu vereinfachen, dass die Fotovoltaik zu einem Massenmarkt werden könnte. Die Software komme genau zum richtigen Moment, sei doch die Solarbranche durch die Finanzkrise gerade in einem schwierigen fundamentalen Wandel. Für Großprojekte fehle es an Finanzierungen, die Aktienwerte der Marktführer seien auf Talfahrt und Investoren auf dem Rückzug. Mithilfe der Solarpotenzialanalyse könnten vor allem kleinere Installationsbetriebe, die bisher kein Marketing betrieben hatten, profitieren und nun mit handfesten Daten auf die Kunden zugehen. Wirsol Solar will nun zunächst zehn Solarbetrieben in mittel- und süddeutschen Metropolregionen die Software für ihren Vertrieb kostenlos zur Verfügung stellen. Die Kosten für den Kauf der Laserscandaten will die Firma übernehmen. Die Bundesrepublik auf dem Weg in den Solarstaat? Einen anderen Weg geht Hamburg. Dort sollen zunächst Fotovoltaikanlagen auf Schuldächern installiert werden. Zudem versucht man, Firmen mit großen Hallendächern für Investitionen in die Fotovoltaik zu gewinnen. Bereits vor einigen Jahren erhobene Flugscannerdaten liegen in der Hansestadt bei der zuständigen Behörde bereit. Und nach einer Mitteilung des Senats plant die Stadt, Teilgebiete noch einmal neu zu fliegen. Zudem soll es bereits Angebote von einer süddeutschen Firma für die Umsetzung der Solarpotenzialanalyse geben. Auf den Internet-Seiten der Millionenstädte Berlin und München findet man bisher noch keine interaktiven Solarpotenzialrechner. Hier besteht die Möglichkeit für Solarfirmen, sich einzubringen. Professorin Klärle beschäftigt sich derweil an der Fachhochschule Frankfurt mit dem Thema “Virtuelle Kraftwerke” – eine Art Komposition verschiedener regenerativer Energien. Sie will herausfinden, ob sich die Potenziale von Wind, Sonne, Wasser und Biomasse so miteinander koppeln lassen, dass sie sich gegenseitig ergänzen. Das Ganze mit dem Fernziel, komplett auf fossile Energieträger zu verzichten.

Willi Harhammer

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