Mehrere Expertisen stellen Agrotreibstoffen miserables Zeugnis aus

Biosprit-Beimengung: EU reagiert auf Kritik

Der öffentliche Druck gegen die Biotreibstoff-Beimengung von zehn Prozent in der EU hat sich diese Woche erneut erhöht. Der UN-Sonderbeauftragte Olivier de Schutter hat in einer Rede die stark gestiegene Nachfrage nach den Treibstoffen als Hauptursache für die weltweite Hungerkrise genannt. Die von der EU und den USA aufgestellten Produktionsziele für Biosprit hätten zu verstärkten Spekulationen mit landwirtschaftlichen Nutzflächen und Rohstoffen geführt. Brüssel und Washington sollten deshalb unverzüglich diese Politik beenden. Bereits einen Tag später reagierte das EU-Parlament darauf: Ein Votum im Industrieausschuss des Parlaments mit 50 Pro- und nur zwei Gegenstimmen wird als deutliches Signal gewertet, dass es zur Aufweichung der vorgeschriebenen Beimengung von zehn Prozent bis 2020 kommen wird.

Die Kritik an den Agrotreibstoffen reißt nicht ab: Obwohl einige Gruppen immer wieder damit argumentieren, dass der Preisanstieg von Nahrungsmitteln nichts mit dem Anbau von Pflanzen für die Biotreibstoffproduktion zu tun habe, mehren sich die Expertisen, die das widerlegen. Der Internationale Währungsfonds IWF schätzt, dass 70 Prozent des Preisanstiegs bei Mais auf das Konto von Biotreibstoff gehen, bei Soja seien dies 40 Prozent. Auch die OECD ist in einer Studie zum Schluss gekommen, dass Biotreibstoffe nur minimal zum Klimaschutz beitragen, für Verbraucher und Steuerzahler allerdings jährlich Kosten in Milliardenhöhe verursachen. Das Agrarinstitut der OECD prognostiziert in den kommenden zehn Jahren sogar einen Preisanstieg bei Lebensmitteln von bis zu 60 Prozent. Die Preisexplosion sei mitunter auch auf den Anbau von Pflanzen für Biosprit zurückzuführen.

Der Umweltexperte Gerhard Glatzel von der Wiener Universität für Bodenkultur, bringt die Fakten im pressetext-Interview auf den Punkt: “Die Fläche, die für den Anbau von Biosprit-Pflanzen unter Einhaltung der 5,75-Prozent-Beimengung bis 2010 benötigt wird, ist nicht vorhanden.” Der Experte gibt zu bedenken, dass dies sowohl für Österreich als auch für Deutschland und die anderen EU-Staaten gelte. “Die Katastrophe ist dann, dass man erneut auf Importe aus Brasilien oder anderen Ländern angewiesen sein wird.”

Konkret geht es um die Herstellung von Ethanol, für die nach derzeitigem Stand der Technologie nur Zuckerrohr und Getreide in Frage kommen. An einer zweiten Generation der Herstellung aus Holz, Stroh und Biomasse wird derzeit intensiv gearbeitet. Bis diese einsetzbar sind, wird es allerdings noch dauern. Ähnliche Probleme gibt es jedoch auch mit dem Anbau von Ölpflanzen für die Bio-Dieselherstellung. Der EU-Ausschuss will nun einen Akzent auf Wasserstoff-Fahrzeuge sowie auf Elektroantriebe setzen. Positiv stehe man auch Biotreibstoffen aus Abfällen gegenüber.

Ökologen kritisieren in der Agro-Treibstoffdiskussion vor allem den fehlenden Aspekt des globalen Umdenkens. Das derzeitige Verhalten der Menschen in Bezug auf Treibstoff- und Energieverbrauch könne auch mit Hilfe von Agrotreibstoffen nicht abgedeckt werden. “Es ist völlig sinnlos, mit drei Tonnen schweren Autos zu fahren und zu erklären, dass Agrotreibstoffe die Lösung der Energieversorgung darstellen”, meint Glatzel. “Es gibt sehr viel effizientere Wege, etwas für den Klimaschutz zu tun, als die Förderung von Biotreibstoffen”, meint Stefan Tangermann, OECD-Direktor für Handel und Landwirtschaft. Europa und die USA hätten dieses Boot der gemeinsamen Förderpolitik gemeinsam bestiegen, sie sollten es nun auch gemeinsam wieder verlassen.

Willi Harhammer

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